Christian Nitsch
Vorsitzender der SPD-Fraktion

Christian Nitsch, SPD Fraktionsvorsitzender im Rat der Stadt Kleve

Haushaltsrede der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Kleve, 15.12.2021

Corona-Lage

Die SPD-Fraktion wird sich gemäß der Fraktionsvorsitzendenrunde vom 24.11.2021, an die getroffenen Absprachen halten und diese Haushaltsrede zur vorliegenden Haushaltsplanung lediglich zu Protokoll geben.

Schon in der vergangenen Stellungnahme haben wir als SPD-Fraktion vor zwei Effekten gewarnt: Zum einen durften unserer Auffassung nach „die COVID-Schutzmaßnahmen“ nicht dazu führen, dass die verfassungsgemäße Ratsarbeit durch Verzögerungen und mangelnde Möglichkeiten zur Beteiligung eine gewisse Beliebigkeit erfahren. Ebenso haben wir davor gewarnt, die finanziellen Auswirkungen der Pandemie durch einen gesetzeswidrigen „Griff“ in die Rücklage
unserer Stadt auszugleichen. Letzteres ist so, gegen die ursprünglich vorherrschende mehrheitliche Meinung des Rates, dann richtigerweise nicht erfolgt.

Unsere heutige Haushaltssituation ist auf den ersten Blick im Vergleich zu vielen anderen Kommunen sehr auskömmlich und hat zahlreiche Ursachen und
Wahrheiten. Zwei davon nenne ich nun beispielhaft. Die vom damaligen Bundesfinanzminister und heutigem Bundeskanzler Olaf Scholz den Kommunen zur Verfügung gestellten Mittel in Höhe von mehr als 4,2 Millionen € sorgten bei der Stadt Kleve zum Ende des Jahres 2020 zu einer Entspannung, betreffend der Sorge zum städtischen Haushalt. Zur Erinnerung: Diese 4,2 Millionen € waren zweckbestimmt zur Beherrschung der COVID-Pandemie geschuldeten Mindereinnahmen durch die Auswirkungen der Pandemie und zum Ausglich für wegfallende Gewerbesteuerbeträge.

Zudem waren wir Sozialdemokraten mit unserer rechtlichen- und politischen Einschätzung, wie schon soeben angedeutet, nahezu alleine davon überzeugt, dass
die Stadt Kleve das „Gesetz zur Isolierung der aus der COVID-19-Pandemie folgenden Belastungen der kommunalen Haushalte im Land Nordrhein-Westfalen“
(NKF-COVID-19-Isolierungsgesetz – NKF-CIG) vom 01.10.20 vollumfänglich zu berücksichtigen hat. (Dieses verlangte u.a. eine isolierte Betrachtung und
Verbuchung der pandemiebedingten Belastungen, somit deren Isolation, und Abschreibung frühestens ab dem Jahr 2025. Dieses möge dann der neu gewählte
Bürgermeister/In und Rat entscheiden).

Nur durch diese strikte Anwendung des Gesetzes und der Leistung der Bundesregierung sind wir in der Lage, einen solchen Etat beraten zu können. Zum
30.12.2020 konnten aus diesen Gründen der Haushaltsrücklage 1.681.906,09 € zugeführt werden.
Somit betrug die Höhe der Ausgleichsrücklage zum 01.01.2021 stolze 30.832.607,22 €.
Dieses verschafft uns heute einen gewissen Gestaltungsspielraum, der uns optimistisch nach vorne blicken lässt – auch wenn das zu erwartende Jahresergebnis, defensiv geschätzt, einen Jahresfehlbetrag von ca. 1.050.000 € ausweißt. (Haushaltsatzung 2022)

Ratsarbeit

Doch bevor ich für die SPD-Fraktion näher auf den Etat 2022 eingehe, ist es wichtig zu erwähnen, dass wir uns insbesondere dem Wohle der Stadt verpflichtet fühlen. Wir haben Verständnis für viele Dinge, die in dieser Zeit eben nicht rund laufen und verstehen es gut, „Fünfe gerade sein zu lassen“, ja wenn es nicht zur Routine wird. Niemals war die Unzufriedenheit nahezu aller Fraktionen über die ständigen Missachtungen unserer eigenen verabredeten Geschäftsordnung so stark, wie es heute von uns allen empfunden wird.

Daran lässt das Protokoll der Fraktionsvorsitzendenrunde vom 24.11.2021 keinen Zweifel. Sei es die verspätete Bereitstellung erforderlicher Beratungsdokumente – in einem Fall sogar erst mit Betreten des Sitzungssaales. In anderen Fällen wurden sogar wegen des „Nichtvorhaltens“ von Dokumenten aus der Verwaltung, Tagesordnungspunkte abgesetzt.

Wir Sozialdemokraten empfinden und kritisieren, dass die Möglichkeit zur Teilhabe sehr gelitten hat und von einer kommunal-parlamentarischen Beratung und Kontrolle schon fast nicht mehr zu reden ist.

„Hick und Hack“ bei den Beschäftigtenzahlen

Leider ist das „Hick und Hack“ bei der Feststellung der tatsächlich Beschäftigten in der Verwaltung und die Darstellung dazu ein absolutes Chaos-Signal. Zu einer
anderen Bewertung vermag man nicht gelangen. Herr Bürgermeister, Sie vermochten nicht zu erläutern, wie sich die Anzahl vorhandener Stellen im Vergleich
zu den tatsächlichen Beschäftigten verhält. Konkrete Nachfragen zum Verhältnis der Stellenwerte im Verhältnis untereinander, Fragen nach der Entwicklung der
Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse, unbesetzter Stellen, der geschlechterspezifischen Verteilung und dem Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund blieben unbeantwortet.

Wir Sozialdemokraten machen uns zudem größte Sorgen über die Zufriedenheit der Verwaltungsmitarbeiterinnen und Verwaltungsmitarbeiter und werden die sich abzeichnenden Entwicklungen in ihrer Ursache ergründen und uns einmischen. Führung durch Motivation und Vertrauen ist ein geeignetes Instrument, um
Abwanderungen und Unterbesetzungen zu vermeiden. Ideen, konstruktive Kritik und den Mut zur Veränderung gilt es zu unterstützen und nicht zu sanktionieren, Herr Bürgermeister.

An dieser Stelle bedankt sich die SPD-Fraktion ganz ausdrücklich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für das bisher Geleistete.

Für das Jahr 2022 wurde uns ein Sitzungsplan vorgelegt, der wiederum beweist, dass die Wirklichkeit der aktuellen gesundheitlichen- und gesellschaftlichen
Bedrohungslage bei der Verwaltungsspitze und dessen Vorsitzenden bis heute nicht angekommen ist. Er dokumentiert zudem eindrucksvoll, dass die Möglichkeit des Rates und seiner Mitglieder zur Teilhabe, weiterhin erschwert wird.

Herr Bürgermeister, wer das zulässt, hat aus den Erfahrungen der letzten Monate nichts gelernt – und wir fordern von Ihnen, Ihre Präsenz an den Sitzungen genauso auszurichten, wie es von den Mitgliedern des Rates und der Gremien in ihrer Ehrenamtlichkeit erwartet wird.

Haushalt

Die hier im Etatentwurf zugrundeliegenden Ergebnisberichte bieten eine Rückschau. Die Bewertung hierzu wurde in den Ausschüssen in den vergangenen Wochen bereits versucht zu unternehmen. Für die Zukunft schenkt der Etatentwurf 2022 einen Spielraum zur Gestaltung und Weiterentwicklung der Lebensqualität in unserer Stadt und für unseren Beitrag zum aktiven Klima-, Umwelt- und Naturschutz.

Wir wollen diesen Spielraum nutzen und haben auch wieder in dieser noch sehr jungen Legislaturperiode bewiesen, dass wir die Herausforderungen der Zukunft
annehmen und das Morgen gestalten wollen. Unsere 20 Anträge zum Haushalt zeigen sinnbildlich wie viel Potenzial und Bereitschaft zur Veränderung wir haben,
aber auch wie viele Aufgaben in Kleve zu bewältigen sind.

Leider, und die heute vorliegende Tagesordnung des Rates belegt es eindrucksvoll, wird im Tagesordnungspunkt 23 durch die Verwaltung auf 25 Seiten offenbart, welche Maßnahmen alleine aus diesem laufenden Jahr sich immer noch in der Bearbeitung befinden oder erst gar nicht angefasst wurden – und das
selbstverständlich ohne Berücksichtigung der laufenden Anträge.

Dazu kommt der allgemeine Verwaltungsstau bei den grundlegenden „Basics“, die jede Bürgerin und jeder Bürger von seiner Verwaltung erwarten darf; ganz gleich ob es unbeantwortete Bürgeranfragen oder stark verlangsamte Bearbeitungsabläufe sind. Wir wissen von Fällen, die sich inzwischen aus diesen Gründen für einen anderen Standort als der unserer Heimat – und Kreisstadt Kleve, entschieden haben.

Eine Zukunftsreise für Klever Bürgerinnen und Bürger

Wir haben keine Zeit für irgendwelche parteipolitische Spielchen, denn nur gemeinsam können wir den Anforderungen und Erwartungen gerecht werden. Und
auch nur so wird es gelingen, die Bürgerinnen und Bürger auf diese Zukunfts-Reise mitzunehmen.

Die Mehrheitsverhältnisse im Rat machen es für uns als SPD nicht einfach, eigene Anträge voranzutreiben. Umso mehr begrüßen wir die Tendenz, dass sich die
anderen Fraktionen auf inhaltliche Debatten einlassen und gute Ideen so zumindest teilweise auch mit anderen Mehrheiten getragen werden. Insbesondere der „Work-flow“ im Ausschuss für Klima, Umwelt- und Naturschutz ist hier beispielhaft zu erwähnen. Auch die Bereitschaft zu gemeinsamen Anträgen der Fraktionen ist ein ermutigendes Zeichen, die Stadt entschlossen voranzubringen.

Dass die CDU aber von einem gemeinsamen Antrag, der zuvor abgestimmt wurde, in der relevanten Sitzung abweicht und auch sonst in der Regel eins zu eins der Verwaltungsmeinung folgt, lässt uns als SPD daran zweifeln, wie viel aktive Gestaltung denn von der größten Fraktion im Rat der Stadt Kleve tatsächlich
ausgehen kann. Wir als Klever Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker dürfen nicht vergessen: Wir sind die von Bürgerinnen und Bürger gewählten
Vertreterinnen und Vertreter im Rat und nicht Abnicker von Verwaltungsmeinung oder dem Willen des Bürgermeisters.

Wir als SPD-Fraktion werden nicht müde werden, konstruktive Diskussionen zu führen und Ideen einzubringen. Unsere Anträge zum Haushalt zeigen auf, an
welchen Stellen wir dringend anpacken müssen. Wir möchten erreichen, dass es möglichst allen Menschen in unserer Stadt gut geht und wenn dies nicht der Fall ist, sie eine Unterstützung in ihrer besonderen Situation erfahren.

SPD-Anträge zum Haushalt

Wir brauchen die psychosoziale Unterstützung für wohnungslose Menschen, bezahlbare Wohnungsangebote mit Ideenreichtum zur Verdichtung von Wohnraum. Dieser Antrag wurde inzwischen mehrheitlich im Haupt- und Finanzausschuss (HFA) abgelehnt, dennoch wird er uns bald wieder beschäftigen. Und in diesem Zusammenhang fordern wir als Sozialdemokraten die Verwaltung auf, Wohnraum, der in unserer Stadt vorhanden ist, aber durch den Eigentümer nicht zur Vermietung angeboten wird und dabei Substanz verliert, mit einer Leerstandsabgabe zu belegen.

Wir brauchen sichere Aufenthalts- und Spielbereiche für Kinder und Familien und das selbstverständlich barrierefrei. Unsere Kinder und Jugendlichen sollen durch clevere Ideen an Kunst und Kultur herangeführt werden. Kostenloser Zugang zu den Museen für Jugendliche, so lautet unsere Forderung zum Haushalt.

Kleve soll Zeichen setzen, farblich bunt sollten einige Bänke sein. Zudem wollten wir Sozialdemokraten ein dauerndes Zeichen zum „International Day Against
Homophobia“
– auch über den 17. Mai hinaus setzen. Der „HFA“ hat dieses mehrheitlich abgelehnt. Aber die legalen Graffitiwände haben eine Chance, realisiert
zu werden – wurden sie doch zu weiteren Beratung in den Jugendhilfeausschuss verwiesen.

Die digitale Baufibel, ein Erfolgsprojekt in zahlreichen anderen Städten und Gemeinden, wurde leider auch abgelehnt. Angst hatte die Verwaltung hier vor mehr
Entscheidungs- und Mitwirkungschancen der Bürgerinnen und Bürger. Wir möchten nicht einzelne Umweltschutzmaßnahmen in den Bebauungsplänen im Detail
festlegen, sondern den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, ihre Maßnahmen zum Klima-, Umwelt- und Naturschutz durch eine Auswahl von
Möglichkeiten selbst festzulegen. Die Chance wurde auch hier vertan, „Betroffene zu Beteiligten“ machen zu können.

Die verkehrliche Situation in unserer Stadt befasst sich nicht nur mit Straßenführungen etc. sondern auch mit Maßnahmen zur sicheren Verkehrsführung.
Wenn ich an dieser Stelle den Antrag zu dem Radschutzstreifen an der Ringstraße erwähne, dann mache ich das nicht, um Kuriositäten bei der Abstimmung zu
betonen. Viel mehr ist dies ein gutes Beispiel dafür, wie man mit verhältnismäßig wenig Aufwand sehr Vieles erreichen und für Klever Bürgerinnen und Bürger tun kann. (Radschutzstreifen Briener Straße und Radschutzstreifen Kreuzhofstraße)

Wir möchten die Entlastung der Straße durch die Autoverkehre. Unser Antrag zur Erweiterung des Stadtbusses fand im letzten „HFA“ keine Mehrheit. Schon wieder wurde eine Chance ungenutzt.

Wir haben noch einen beschwerlichen Weg vor uns und werden weiterhin zum Erreichen eines mutigen und entschlossenen politischen Handelns in unserer Stadt mit den Fraktionen leidenschaftlich, kontrovers, aber auch konstruktiv diskutieren. Diesen Blick wünsche ich mir von allen Fraktion im Rat der Stadt Kleve und insbesondere vom Bürgermeister. Leider haben einige Parteien zum Haushalt kaum nennenswerte Anträge formuliert. Und sie sollten sich hinterfragen, welche Aufgabe von ihnen erwartet wird. Ein weiteres „Dasein, um Verwaltungsmeinung sicherzustellen“? Das darf nicht Basis einer kommunalpolitischen Arbeit sein.

Kleve bleibt nach wie vor hinter seinen Möglichkeiten zurück!
Das liegt nicht an der SPD.
Wir wollen das ändern und haben konkrete Vorschläge gemacht.

Kleve braucht Visionen und Mut

Kleve braucht Visionen und Mut, intelligent und solide begleitet vom neuen Kämmerer der Stadt Kleve, Herrn Klaus Keysers, den wir für seine Amtszeit sehr viel
Erfolg wünschen. Und wir bedanken uns an dieser Stelle bei Herrn Willibrord Haas, für 16 lange und aufopferungsvolle Jahre als Kämmerer unserer Stadt. Auch wenn wir oftmals politisch anderer Überzeugung waren, wussten wir unsere Vermögenslage in seiner Verantwortung, sehr gut behütet, verwaltet und äußerst
verantwortungsvoll aufgehoben.

Die SPD-Fraktion stimmt der vorliegenden Haushaltssatzung 2022 trotz fehlender Bereitschaft der Verwaltung zu einer innovativen Herangehensweise an die
Herausforderungen der nächsten Jahre zu.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Christian Nitsch
Fraktionsvorsitzender
SPD-Fraktion im Rat der Stadt Kleve
15.12.2021