Offener Ganztag- Bildungsgerechtigkeit: Was ist es uns wert?
Ca. 200 Besucher folgten der Einladung der Klever SPD zum Dialog über den offenen Ganztag an den Klever Schulen. Unter der fachkundigen Moderation von Martina Verhoeven (Lehrerin und Fraktionsvorsitzende von Bündnis90 / Die Grünen in Uedem) erlebten die zahlreichen Eltern, Lehrer, Erzieherinnen und Kommunalpolitiker einen interessanten und kurzweiligen Abend.
Nach der Begrüßung durch Christian Nitsch, den SPD-Faktionsvorsitzenden im Klever Stadtrat, stellte Gabor Klung von der Elterninitiative zur Verbesserung der OGS in Kleve die Petition zum Thema vor. Ausbau und Verbesserung der OGS-Betreuung in Kleve – Online-Petition (openpetition.de)
Petition zur OGS in Kleve
An vielen Klever Grundschulen, im Besonderen an der Willibrordschule, kann der Bedarf an Plätzen zur Betreuung im Offenen Ganztag (OGS) oder von „8-1“ bereits jetzt NICHT gedeckt werden. In Kellen warten aktuell 35 (!) Kinder auf einen OGS-Platz – in ganz Kleve sind es (Stand Mai 2022) insg. 95 Kinder (53 für OGS / 42 für „8-1“), v.a. da es nicht ausreichend räumliche Kapazitäten gibt.
Die Unterschriften sollen vor der nächsten Schulausschusssitzung am 20. April dem Bürgermeister übergeben werden.
Gabor Klung und der leider krankheitsbedingt abwesende Gerwin Putmann erhoffen sich mit der Petition einen „Startschuss für einen gemeinsam gestalteten Prozess“ zur Verbesserung der OGS-Situation in Kleve.
Impulsvortrag der Hochschule Rhein-Waal
Prof. Dr. Wögen Tadsen und Doktorandin Julia Mai hielten mit Unterstützung der Studenten Corinna Tietze und Hannah Lennartz einen Impulsvortrag zum Thema „Emotionale Arbeit – Bedeutung in der Praxis“.
Sie machten auf den Konflikt aufmerksam, wenn im beruflichen Alltag die Gefühle, die man zeigt und die man wirklich fühlt, nicht im Einklang sind (Emotionale Dissonanz). Es geht hierbei um die Gefühle der Erwachsenen beim Umgang mit den Kindern: „Pädagogische Arbeit erfordert ein hohes Maß an emotionaler Arbeit“.
92 % der Mitarbeiter:innen in den KiTas sind Frauen. Die Emotionen einer pädagogischen Fachkraft werden oft auch als in der „Natur der Frau“ liegend betrachtet. Leider führt dies oft zu schlechter Bezahlung und schwierigen Arbeitsbedingungen. Das zeigt auch, dass statistische Erhebungen ergeben, dass 19 % der Erzieher:innen Burnout gefährdet sind.
Anerkennung und Wertschätzung der Mitarbeiter:innen sind unbedingt zu fördern. Dies hat auch Wirkung auf die Kinder. Emotionen dürfen Kindern gezeigt werden. Übertragen auf den Offenen Ganztag bedeutet dies auch, das klar sein muss, dass es nicht „nur“ um Beaufsichtigung und Beschäftigung von Kindern geht. Hier ist Zuwendung und Beziehungsarbeit erforderlich.
Podiumsdiskussion der Fachexperten
Ein hochkarätiges Podium bewertete anschließend die Situation des OGS in Kleve und im Allgemeinen. Dem Interessierten Publikum bot sich ein interessanter Einblick in den Arbeitsalltag der Offenen Ganztagsschule.
Jens Willmeroth –
Schulleiter der GGS an den Linden
Herr Willmeroth berichtete über die Situation an seiner Schule. Leider würden die OGS-Mitarbeiter:innen nur mit „kleinen Verträgen“ ausgestattet. Das heißt, dass die reduzierte Stundenzahl auch zu einer niedrigen Bezahlung führt, ohne Perspektive hier eventuell mal „aufstocken“ zu können. „Man sollte von der Arbeit leben können“, so die Auffassung von Herrn Willmeroth.
Für ihn ist wichtig, die Qualität des OGS zu sichern. Deshalb hat er sich entschieden, die strikte Trennung von Schulalltag und Ganztag aufzulösen. Dieses Konzept hat sich bewährt und kommt den Schüler:innen zugute. Es führt aber auch dazu, dass die gesamte Schule im offenen Ganztag geführt wird. Es besteht allerdings auch eine große Warteliste an dieser Schule.
Dem Fachkräftemangel wird an der Grundschule an den Linden mit einer eigenen Ausbildung von Erzieher:innen begegnet.
Stadtschulpflegschaft Kleve
Auf dem Podium der Bildungsexpert:innen hat Sarah Hendricks die Stadtschulpflegschaft Kleve vertreten. Die Stadtschulpflegschaft gilt als gemeinsame Stimme der verschiedenen Schulpflegschaften in Kleve: Eine Stimme in der Diskussion oder Auseinandersetzung mit der Stadtverwaltung, aber auch in der internen Abstimmung zwischen den Schulen.
Für Frau Hendricks ist die OGS in Kleve mehr Kinderverwahrung und muss dringend verbessert werden. Insbesondere müssen auch die Bedürfnisse der Eltern bei der Einrichtung der OGS berücksichtigt werden.
anja Oster, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
Für den Kreisverband Kleve der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat Frau Anja Oster gesprochen. Sie ist Grundschullehrerin und Konrektorin.
Frau Oster machte darauf aufmerksam, dass es gerade im OGS-Bereich Frauen mit prekären Beschäftigungsverhältnissen gibt. Hier stimmen oft die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen nicht. Befristete Arbeitsverhältnisse und fehlende Aufstiegsmöglichkeiten beeinträchtigen die berufliche Perspektive.
Die GEW begrüßt den Rechtsanspruch auf offenen Ganztag – aber da muss auch Qualität vorhanden sein. „Da muss Geld fließen“, so die Gewerkschaftsvertreterin.
Marion Kurth, Geschäftführerin der AWO Kreis Kleve
Die AWO ist Träger des Offenen Ganztages an zahlreichen Schulen im Kreis Kleve. Sie berichtete über die Herausforderungen und Chancen der OGS in Rindern und der Karl-Leisner-Schule in Kleve berichten.
Bezugnehmend auf den Impulsvortrag ist für Frau Kurth Bildungsgerechtigkeit nur möglich, wenn Kinder emotionale Beziehungen aufbauen können.
Mit den Kommunen gibt es Vereinbarungen zur Durchführung des Ganztagsangebotes durch die Arbeiterwohlfahrt. Aber eigentlich sei das Thema Landesangelegenheit. Dabei hat schlechte Betreuung auch Auswirkungen auf die Zukunft: Weniger Fachkräfte. Für Frau Kurth ist eine verstärkte Ausbildung von Fachkräften im OGS-Bereich sinnvoll.
Elke Kotthoff, Caritas Kleve
Frau Elke Kotthoff Fachbereichsleiterin Kinder, Jugend und Familie, Leitung Fachdienst Schule bei der Caritas Kleve hat genau wie die AWO für einige Klever Schulen das OGS-Angebot übernommen.
In der Praxis erweist sich die Umsetzung des additiven Ganztagsangebotes (Ganztagsangebot getrennt vom Schulbetrieb) als schwer zu händeln und erfordert viel Engagement der Kolleg:innen. Gerade das ist eine weitere Schwierigkeit, da nicht genügend Kolleg:innen zur Verfügung stehen. Die „kleinen Verträge“ erweisen sich auch hier als Hemmnis.
Andrea Rokuß, Confidio
Frau Andrea Rokuß begleitet Unternehmen und Kommunen mit Ihrem Büro bei Veränderungsprozessen und Schulentwicklungsprozessen.
Für sie ist das OGS-Angebot kein Betreuungsangebot, sondern erfordert pädagogische Mitarbeiter:innen. Diese müssen mit größeren Zeitressourcen ausgestattet werden. Dabei sind die „Bildungsgrundsätze NRW“ durchaus geeignet, pädagogische Konzepte zu entwickeln. Man traue sich jedoch nicht Qualitätsstandards zu definieren.
Bei den Raumkonzepten empfiehlt Frau Rokuss die integrierte Nutzung der vorhandenen Räume an den Schulen.
Frank Müller, MdL SPD
Mit Frank Müller MdL hatten wir einen Landtagsabgeordneten der SPD-Landtagsfraktion NRW auf dem Podium beim KLEVER DIALOG, der aus Sicht der Landespolitik die Diskussion begleitet.
Frank Müller nahm auch gleich den Landesgesetzgeber in die Pflicht: „Es muss Geld in die Hand genommen werden- Kommunen können damit nicht belastet werden“. Es geht für Frank Müller um Bildungsprozesse und nicht um Betreuung. Schule ist als Ort im Sozialraum wichtig. Das habe ganz deutlich die Corona-Isolation gezeigt.
Die Ausbildung und Perspektiven des eingesetzten Personals sind zu verbessern.
Podiumsdiskussion der Politikvertreter:innen
Nach einer kurzen Pause trafen sich die kommunalpolitischen Schulexperten der Stadt Kleve auf dem Podium, um die Situation in Kleve zu diskutieren.
Der im letzten Schulausschuss einstimmig beschlossene SPD-Antrag ( https://spd-kleve.de/verlaessliches-ganztagesversprechen/) wurde von den Sprechern der Fraktionen begrüßt. Man wünscht sich eine Verbesserung der Raum- und Personalsituation. Zur Beteiligung der Elternschaft wird es einen gemeinsamen Antrag zur Durchführung einer Bildungskonferenz geben.
Mit diesem Ergebnis konnte die Podiumsdiskussion nach einer sehr engagierten Fragerunde aus dem Publikum beendet werden.
Christian Nitsch bedankte sich bei Martina Verhoeven für die gelungene Moderation mit einem politisch ausgewogenen Blumenstrauß.
Einen weiteren Blumenstrauß bekam Christin Becker für die tolle Planung und Vorbereitung des 1. Klever Dialogs. Gleichzeitig wurde für den Herbst der 2. Klever Dialog angekündigt. Hier wird es dann um bezahlbares Leben und Wohnen in Kleve gehen. Auch ein spannendes Thema.
Die Einladung zum Downlod:
Online-Petitition:
Hier könnt ihr „online“ unterschreiben: https://www.openpetition.de/petition/online/ausbau-und-verbesserung-der-ogs-betreuung-in-kleve
Wir laden Sie zum öffentlichen Dialog ein:
Offener Ganztag – Bildungsgerechtigkeit: „Was ist es uns wert?“
Termin
Ort
Dienstag, der 14. März 2023 ab 18.00 Uhr
Kolpinghaus Kleve
Kolpingstraße 11, 47533 Kleve
18:00 Uhr
18:10 Uhr
18:30 Uhr
Begrüßung durch Gabor Klung und Gerwin Putman (Elterninitiative zur Verbesserung der OGS in Kleve)
Impulsvortrag der der Hochschule Rhein-Waal
Prof. Dr. Wögen Tadsen und Doktorandin Julia Mai
Podiumsdiskussion der Bildungsexperten
- Anja Oster
Gewerkschaft für Erziehung & Wissenschaft - Sarah Hendricks
Stadtschulpflegschaft - Jens Willmeroth
Sprecher der Klever Grundschulen und Schulleiter der Grundschule an den Linden - Vertreter*innen der AWO/Caritas
Träger des offenen Ganztages - Andrea Rokuß
Confidio (Schulentwicklungsprozesse) - Träger des Offenen Ganztages (AWO / Caritas)
- Frank Müller
Landtagsabgeordneter SPD NRW
19:30 Uhr
19:45 Uhr
Pause
Podiumsdiskussion der Politikvertreter*innen
- Michael Heyrichs
CDU, Vorsitzender Schulausschuss in der Stadt Kleve - Dr. Hedwig Meyer-Wilmes
Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im
Rat der Stadt Kleve - Niklas Lichtenberger
Schulpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im
Rat der Stadt Kleve - Daniel Rütter
Fraktionsvorsitzender der FDP-Fraktion im
Rat der Stadt Kleve - Marco Hendricks
Schulpolitischer Sprecher der Fraktion Offene Klever
im Rat der Stadt Kleve - Frank Müller
Landtagsabgeordneter SPD NRW
20:30 Uhr
21.00 Uhr
Diskussion & Fragen
Abschluss
Kontakt:
Sie wissen sicher schon, dass Sie dabei sein möchten? Oder haben Sie eine Frage, die an diesem Abend behandelt werden soll? Gerne können Sie uns das vorab über das folgende Formular – oder über unsere E-Mail-Adresse mitteilen.
Weitere Informationen zum Thema Offener Ganztag:
- Gesetzliche Grundlagen
- Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung
- Ganztagsförderungsgesetz GaFöG v. 02. Oktober 2021
- Antrag der SPD-Fraktion Kleve
- Verlässliches Ganztagsversprechen in Kleve
- Positionen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zur Offenen Ganztagsschule
- Confidio (Schulbau und -entwicklungsprozesse)
- AWO Kreis Kleve
- Caritas Kleve
- Frank Müller MdL SPD NRW
- SPD-Fraktion NRW
- BMFSFJ – Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend
- Situation in der Stadt Kleve
- Berichterstattung NRZ vom 16. März 2023
- Berichterstattung RP-Online vom 16. März 2023