Christian Nitsch, Vorsitzender SPD-Ratsfraktion Kleve

  • es gilt das gesprochene Wort
Christian Nitsch
Fraktionsvorsitzender Christian Nitsch

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Gebing,
sehr geehrter Herr Kämmerer Keysers, sehr geehrte Ratskolleginnen und Ratskollegen, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

die Aufgaben unserer Zeit werden sehr stark beeinflusst von der Schieflage unseres Planeten. Sei es, den Herausforderungen von Hunger, fehlender Wasserversorgung und den Auswirkungen der zahlreichen Kriege und Konflikten gerecht zu werden, aber auch das Gefühl, dass Vieles anders und schlechter wird. Dieses Gefühl hat uns und die Menschen in Kleve längstens erreicht.

Wir als Demokratinnen und Demokraten müssen Zeichen des politischen offenen Wettbewerbes dahingehend setzen, dass es uns vielmehr um das Gemeinwohl hier in unserer Stadt Kleve geht als um andere Sekundärinteressen.

Die Demokratie braucht jetzt zum Wohle der Menschen Entschlossenheit. Und Demokratie beginnt hier vor allem bei uns in den Kommunen. Die in der letzten Woche gefundenen Kompromisse stimmen mich dabei positiv.

Kleve – Die Schwanenstadt

Wofür steht Kleve? Wer länger als 30 Sekunden über diese Frage nachdenken muss, sollte sich darüber im Klaren sein, dass es viel zu tun gibt für unsere Kreisstadt.

Kleve, eine Stadt mit Geschichte, Kleve eine Stadt mit Potenzialen!

Stadt, Wasser, Wald, Erholung, Gastronomie und Kultur!  Kleve hat viel zu bieten und bleibt dennoch seit Jahren unter seinen Möglichkeiten.

  • Kleve – Platz 393 von 396 Städten in der Statistik des verfügbaren Einkommens!
  • Kleve – Fast 20 Lokale mit Leerstand in der Klever Innenstadt!
  • Kleve – Ohne Anbindung zum Rhein!
  • Kleve – Ohne Beschattung auf Spielplätzen!
  • Kleve – Mit einem um über 40% schlechteren Durchschnitt beim aktuellen Schulsozialindex!
  • Kleve – Mit über 100 Kindern auf Wartelisten für einen Betreuungsplatz im Offenen Ganztag oder der „Acht bis Eins“ Betreuung!
  • Kleve – Das als den größten Posten im Bereich Klima-, Umwelt- und Naturschutz im Haushalt das Thema „Öffentlichkeitsarbeit“ ausweist!
  • Kleve – Mit rund 660 nicht bearbeiteten Wohngeldanträgen!
  • Kleve – Mit zahlreichen unbesetzten Stellen in der Verwaltung!
  • Kleve – Mit einem Bürgermeister, gegen den allein in diesem Dezember zwei Beschwerden bei der Kommunalaufsicht Kreis Kleve eingereicht wurden!

Die Herausforderungen von heute werden auch nicht durch eine Landesgartenschau allein gelöst.

Unsere Anträge

Zum Haushalt haben wir u.a. unseren 100. Antrag in dieser Ratsperiode gestellt. Die Vielzahl an Anträgen stellten wir nicht, weil wir die Verwaltung unnötig belasten wollen oder wir Langeweile haben. Wir stellen Sie, weil wir so viel ungenutztes Potenzial für Kleve sehen und leider viele Themen nur mit öffentlichem Druck überhaupt auf die Tagesordnung kommen.

Anträge der SPD, die vergangenes Jahr noch von der Ratsmehrheit abgelehnt wurden, werden später in anderer Form eingebracht. Wichtige Impulse wurden abgelehnt:

  • Ein weiterer Klimaschutzmanager wurde zum Haushalt 2023 abgelehnt, jetzt beantragen die Kolleginnen und Kollegen der Grünen einen Klimaanpassungsmanager.
  • Im Juni 2022 wird der SPD-Antrag zum Thema Sonnenschutz auf Spielplätzen abgelehnt und gar als „Pampers-Antrag“ bezeichnet; im Jahr 2023 finden nun doch konkrete Überlegungen statt, weil man erkannt hat, dass dies auch klimatechnisch sinnvoll sei.
  • Unser Antrag zum Feierabendmarkt in Kleve wurde trotz positiven Ratsbeschlusses aus 2019 bisher nicht umgesetzt. Wo andere Nachbarstädte wie Rees, Emmerich und Goch bereits erfolgreiche Märkte durchgeführt haben, schlägt der Klever Bürgermeister vor, sich von Sponsoren abhängig zu machen. Nur 5.000, – € statt der selbst genannten 25.000, – € sind im Haushalt eingeplant.
  • Anträge für zusätzliche Förderungen des Tiergartens Kleve waren in der Vergangenheit schon nur gegen Widerstände der Verwaltung durchzusetzen, für 2024 sollten diese komplett abgelehnt werden. Der Haupt- und Finanzausschuss konnte sich zumindest gegen den Willen der Verwaltung auf einen Kompromiss einigen.
  • Bereits 2020 hatten wir unseren Antrag der SPD-Fraktion 015/XI Masterplan ökologische und bedarfsgerechte Wohnungswirtschaft eingebracht. Eine Vielzahl von Anträgen und Diskussionen bestätigen genau die Notwendigkeit des Masterplans.
  • Die Zuschüsse für Ferienfreizeiten wollten wir bereits im letzten Jahr erhöhen. Damals abgelehnt! Jetzt stellte neben uns auch die CDU einen Antrag dazu und wir sind froh, dass im Haupt- und Finanzausschuss endlich eine deutliche Erhöhung beschlossen wurde.
  • Unseren diesjährigen Antrag, die Ressourcen für Schulsozialarbeit auszuweiten, empfahl die Verwaltung zur Ablehnung; auch die anderen Fraktionen – bis auf die Offenen Klever und die FDP – wollten erst den neuen Schulsozialindex abwarten, wohlwissend (oder vielleicht auch nicht wissend), dass dieser keine Stellen festlegt, sondern nur die verstärkten Herausforderungen an unseren Schulen aufzeigt. Wer sich ernsthaft mit Schulen beschäftigt, braucht dafür keinen Bericht! Glücklicherweise ist der neue Schulsozialindex nun erschienen und wir hoffen, dass die anderen Fraktionen bei der erneuten Beratung des Antrags nun im Sinne der Schulen und Kinder entscheiden werden.

Investitionen und Visionen

Ich zähle diese Beispiele nicht auf, um uns als SPD in den Vordergrund zu stellen. Ich zähle diese auf, um deutlich zu machen, dass es in der politischen Diskussion allzu oft an Visionen fehlt.

Glauben Sie mir, wenn ich sage, dass Stillstand mittel- und langfristig Rückschritt bedeutet. Vielmehr, wer nur verwaltet, statt zu gestalten, wird die Folgen zu spüren bekommen.

Natürlich ist die Kommune Kleve nicht mit einem Unternehmen der freien Wirtschaft zu vergleichen. Und auch ich bin mir bewusst, dass die finanzielle Lage der Kommunen immer auch abhängig ist von den Entscheidungen der Landes- und Bundespolitik und dass die Haushaltssicherheit zu bewahren ist.

Wenn aber die Stadt Kleve für das Jahr 2022 dann 10 Mio. Euro der Ausgleichsrücklage zuführen kann, weil auf einmal 13 Mio. Euro auftauchten – dann wird es komisch; und wenn in diesem Jahr nach unserem intensiven Nachfragen zum vorgelegten Haushalt schon jetzt weitere 7.5 Millionen aufgetaucht sind, dann stellen sich doch Fragen nach der Belastbarkeit der vorgelegten Zahlen. Vor allem, wenn die Ergebnisse des jeweiligen Etats dazu herangezogen werden, notwendige Investitionen in den Bereichen soziale Infrastruktur, Klima – und Umweltschutz, Leben und Wohnen in Kleve zu verschieben – oder gar abzulehnen.

Wir haben aus diesem Grunde viele Chancen, die sich uns zum gemeinsamen entschlossenen Handeln boten, vergeben. Sehr oft haben wir mit unseren Anträgen die Mehrheit dieses Rates nicht erreicht und wurden durch CDU/AFD und Grüne daran gehindert, eine verbesserte Situation zu schaffen. Meine Aufzählungen von soeben sind dafür nur ein kleiner Beleg.

Nationalpark Reichswald

Wir wollen die Lebenswelt von Menschen und Tieren verbessern und wenn dazu dieses grenzüberschreitende Projekt einen wesentlichen Baustein dazu darstellt – dann lassen Sie es uns genau betrachten und Entscheidungen zum Wohle unserer Umwelt (Mensch, Natur und der Gesundheit) ausloten und treffen. Lassen sie uns nicht Gefahr laufen, von Lobbyisten zu einer Entscheidung gedrängt zu werden.

Landesgartenschau

Wir begrüßen es ausdrücklich, dass das Thema einer möglichen Landesgartenschau in Kleve erneut aufgegriffen wird. Hat es doch aus meiner Erinnerung in den frühen 80ern bereits Versuche dazu gegeben.  Auch wenn ich die Chancen einer Landesgartenschau in Kleve zweifellos anerkenne, bin ich doch verwundert darüber, dass hierfür neben Fördergeldern zusätzliche Investitionen in Millionenhöhe auf die Stadt Kleve zukommen, die an anderer Stelle im Haushalt nicht „übrig sind“. Das Thema Schleuse mit seinen Potenzialen möchte ich an dieser Stelle nicht weiter ausführen.

Wenn wir über den Haushalt sprechen, dann gehört selbstverständlich eine „ausgewogene Ausgabendisziplin“ in die Betrachtung. Sie darf aber nicht zum Stillstand in unserer Stadt führen!

Es bleibt der Eindruck: Investitionen ja, aber nur wenn der Bürgermeister sich diese auf die Fahne schreiben kann.

Sie Herr Bürgermeister sind mal eben bereit (und dieses dann auffälligerweise unter Zustimmung des Kämmerers), eine neue Stabstelle I in den Stellenplan einzuplanen, die zur Unterstützung des Bürgermeisters dient und den städtischen Haushalt fast sechsstellig belasten wird. An anderen Stellen wiederum wird gespart.

Generell ist der Umgang mit den Mitarbeitenden der Stadtverwaltung oft mehr als fraglich. Sei es bei Stellenbesetzungen, bei Versetzungen, beim Umgang mit Belastungsanzeigen oder auch bei der verpflichtenden Verlängerung des Gleichstellungsplans. Zum Thema Gleichstellung passt dann auch die Aussage unserer CDU-Ratsfrau im letzten Ausschuss für Personal- und Digitalisierung, dass Frauen ja vielleicht keine Weiterbildung wollen würden. Viele Langzeiterkrankungen in der Verwaltung sollten dem Bürgermeister zu denken geben. Auch wenn vermehrt Mitarbeitende wie z.B. bei der WTM nicht mehr in Kleve beschäftigt sein möchten, ist das ein Warnsignal.

An Respekt fehlt es zudem auch im Umgang mit dem Rat, wenn Unterlagen kurz vor knapp oder nur unvollständig zur Verfügung gestellt werden. Respekt fehlt, wenn über 660 Menschen darauf warten, dass ihr Antrag auf Wohngeld bearbeitet wird und dieses noch Monate andauern wird, bis dass dieser Umstand behoben ist. Im entsprechenden Fachausschuss kein Wort dazu von Ihnen, Herr Bürgermeister. Aus der Presse mussten wir es erfahren.

Im Rahmen der Gespräche zu möglichen Einsparungen standen auf einer Liste der freiwilligen Leistungen der Stadt Kleve zum Kürzen u.a. die Schulsozialarbeit und die Citybus-Linie. Allein die Schulsozialarbeit theoretisch zur Kürzung vorzuschlagen, zeugt von völligem Realitätsverlust und fehlendem Respekt gegenüber den Aufgaben von Schule, Kindern, Eltern und Lehrkräften.

Haushaltslage

Aber lassen Sie uns nun abschließend zum Thema der angespannten Haushaltslage als Begründung für fehlende Investitionen bleiben:

Wissen Sie eigentlich, dass ein hoher fünfstelliger Betrag pro Tag künftig den städtischen Haushalt zusätzlich belasten wird und dieses aus Gründen eines Finanzierungsversagens?

Während Wolfgang Gebing sich gerne die aktuellen Schulbauten auf seine Fahne schreibt (die alle bereits in der Ratsperiode zuvor entschieden wurden), hat er es 2021 versäumt, in der Niedrigzinsphase für die geplanten Investitionen und Kredite vorzusorgen. Statt sich die Niedrigzinsen, wie es private Häuslebauer z.B. durch Forward-Darlehen machen, zu sichern, ist die Stadt Kleve nun in der Pflicht, bei den aktuellen hohen Zinsen zu finanzieren.

Bei Investitionen von 240 Mio. € allein im Bereich der Schulbauten und ohne Berücksichtigung weiterer infrastruktureller durch den Rat beschlossenen Investitionen, ergibt sich nachfolgende defensive Berechnung:

Bei einem heute noch zu finanzierenden anstehenden Restvolumen von ca. 200 Mio. € in Schulbauten und einer angenommenen Zinsdifferenz von 3,25% macht das über 17.500, – € pro Tag.

Was könnten wir für Kleve mit 17.500,- € pro Tag alles bewegen? Vielmehr: Wissen Sie überhaupt, was wir damit bewegen könnten? Wissen Sie, was in Kleve alles möglich wäre? Wahrscheinlich nicht. Denn dafür müssten Sie Ihren Schreibtisch verlassen, den Mitarbeitenden der Verwaltung und den Klever Bürger*innen auf Augenhöhe begegnen und zuhören.

In der freien Wirtschaft würden Ihnen kritische Berater sagen, was von Ihnen nun verlangt wird!

Herr Bürgermeister, wann übernehmen Sie endlich die persönliche Verantwortung für dieses Desaster?

Wir werden aus diesen und vor allem den Gründen der fehlenden sozialen Ausgewogenheit, der fehlenden Visionsprägung und dem Versagen, den Herausforderungen der neuen Zeit begegnen zu wollen, diesen Haushalt ablehnen.

Kleve, die Schwanenstadt hat mehr verdient!

!

Christian Nitsch
Vorsitzender der SPD-Fraktion
im Rat der Stadt Kleve