Wir sind diesen Sozialdemokraten zu Dank verpflichtet. Sie haben die Demokratie in Deutschland aufgebaut und das ist ein wichtiges Verdienst der Menschen, derer wir heute gedenken.
Sonja Northing – Bürgermeisterin
Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an den Klever Sozialdemokraten Karl van Dawen
Der SPD-Ortsverein Kleve erinnert in diesem Jahr an die im Nazionalsozialismus verfolgten Sozialdemokraten. Zu ihnen gehört auch Karl van Dawen, an den der Klever SPD-Vorsitzende Josef Gietemann am 07.03.2017 während einer Gedenkveranstaltung vor der JVA Kleve erinnerte.
Karl van Dawen kommt am 1. September 1894 in Büderich nahe bei Wesel zur Welt. Seine Eltern Wilhelm und Christine van Dawen besitzen gemeinsam ein Kolonialwarengeschäft mit einer angrenzenden Gaststätte. Der junge van Dawen wächst bei Wesel auf und macht dort später auch eine Bäckerlehre. Mitte 1911 schließt er diese erfolgreich ab und verlässt Büderich, um Anfang 1913 auf dem Überseedampfer „Wartburg“ zu arbeiten. Später arbeitet er als Bäcker in den USA. 1920 kehrt er nach Deutschland zurück. Seine Mutter, die nun mit Paul Töller verheiratet ist, hat in den vergangenen Jahren eine Pension auf der Hagschen Straße/ Ecke Kolpingstraße eröffnet. Bei ihr wohnt van Dawen als er in Kleve ankommt.
1924 heiratet er Joanna van den Berg. Im gleichen Jahr tritt er auch in die SPD ein. Bis zu seiner Flucht ist er aktiver Sozialdemokrat und Vorstandsmitglied des Bündnisses „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“. Noch im Februar 1933 hatten in Kleve etwa 1.500 mutige Menschen, darunter viele SPD-Anhänger, gegen einen Kanzler Adolf Hitler demonstriert. Dessen Nazi-Machtapparat schlägt jetzt gnadenlos zurück. In Kleve beginnen die Verfolgungen, Schikanen und Verhaftungswellen auf Juden, Kommunisten und Sozialdemokraten.
Im Schwanensaal des ehemaligen Rathauses auf der Großen Straße findet am 23. Februar eine Wahlversammlung der SPD statt. Die Reichstags- und Kommunalwahlen Anfang März rücken näher. Ein Redner, der SPD-Reichstagsabgeordnete Rudolf Hilferding, in der Weimarer Republik zwei Mal Reichsminister der Finanzen, wird erwartet. Zuständig für die Sicherheit im Saal ist Karl van Dawen. Die Ordner sollen einen friedlichen Ablauf der Veranstaltung sicherstellen. Dass das auch durchaus nötig ist, wird sich später zeigen.
Es dauert nicht lange bis mehr als 20 uniformierte Nationalsozialisten das ehemalige Rathaus betreten und Einlass zu der Versammlung der gegnerischen Partei verlangen. Sie bedrohen und beschimpfen die am Eingang postierten Ordner, weil diese ihnen den Eintritt verweigern. Zu den Ordnern in Reichsbanneruniform gehört auch der Genosse Theodor Stromenger. Die Nationalsozialisten lassen das nicht auf sich beruhen. Bei der folgenden Auseinandersetzung fällt mindestens ein Schuss, durch den van Dawen am Fuß getroffen wird.
Er wird festgenommen und obwohl er in derselben Nacht noch entlassen wird, wird er am nächsten Morgen in der Presse als Haupttäter beschrieben. Ein Regierungserlass verbietet der Polizei Auskunft über politische Zusammenstöße zu geben, dies bedauere man sehr. Alternativ findet sich in der Zeitung eine Erklärung der Nationalsozialisten über die jüngsten Ereignisse – ganz nach ihren Wahrheiten. Karl van Dawen bezeichnen sie frei als „Holländer“, obwohl dieser zu keiner Zeit Holländer war.
Nur wenige Tage später wird er ein zweites Mal verhaftet und wieder ins Klever Frauengefängnis eingeliefert. Hierin wurden alle politischen Gefangenen aus den Kreisen Kleve und Geldern verbracht. Es war in diesen Wochen und Monaten zu Recht als Folterstätte berüchtigt. „Von morgens bis abends drang das Stöhnen und Schreien der Misshandelten durch die Hallen des Gefängnisses. Die politischen Gefangenen wurden bei den Vernehmungen auf brutale Weise mit Pistolenkolben, Hundepeitschen und Gummiknüppel misshandelt und übel zugerichtet.
Zwei Tage nach dem Tod seiner Mutter am 3. März wird er freigelassen, um ihre Beerdigung besuchen zu können. Ein Polizeibeamter warnt ihn, seine Freiheit würde nicht von langer Dauer sein, seine Wiederfestnahme sei bereits geplant. Van Dawen nutzt die Chance und flieht noch in derselben Nacht nach Arnheim. Dort verbringt er etwa 20 Monate, bevor er mit seiner Frau, Joanna van den Berg, die ihm in die Niederlande gefolgt war, nach Amsterdam zieht. Es scheint zunächst als könnten sie dort zur Ruhe kommen. Als gelernter Bäcker verkauft van Dawen Brot an eine feste Kundschaft.
In Amsterdam wird er 1941 von der „Sipo“ ein drittes und letztes Mal verhaftet wird. Vier Monate später geht es für ihn in das Gefängnis Düsseldorf-Dehrendorf, am 16. August wird er dort eingeliefert. Einweisende Stelle ist die Gestapo Amsterdam. Von dort wird er ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert.
Als politischer Häftling wird er dort am 11. Dezember 1941 mit der Nummer 3.751 im inhaftiert. Vorstrafen: keine, Grund der Inhaftierung: Nach Holland emigriert“, so lautet (indirekt) sein Todesurteil. Der Block 46 wird seine Unterkunft in Buchenwald. Ab dem 16.12.1942 arbeitet van Dawen im Kommando 53 was bedeutet: Arbeit im Steinbruch; ab dem 23.12.1941 erfolgt eine weitere Verschärfung, jetzt ist er „K-Häftling“ bedeutet Strafkompanie Steinbruch.
Wenige Monate später, am 7. März 1942, erreicht seine Frau, die in ihrer gemeinsamen Wohnung, in der van-Kinsbergenstraat in Amsterdam lebt, die Nachricht über seinen Tod. Er starb im Alter von 48 Jahren, ermordet vom SS-Lagerarzt im Häftlingskrankenbau mittels einer Injektion; an „akuter Herzschwäche“, so die offizielle Todesursache. Sein Leichnam wird, wie viele andere auch, im eigens für die massenhafte Leichenverbrennung errichteten Krematorium, am 09. März 1942 verbrannt.
In ihrer Ansprache erinnerte Bürgermeisterin Sonja Northing, vor dem Mahnmal an der Krohnestraße daran, dass es Sozialdemokraten waren, die für Recht und Freiheit gekämpft haben. Sie hätten sich nicht einschüchtern lassen, wenn es darum ging, für ihre Überzeugungen einzustehen. Bürgermeisterin Northing: „Wir sind diesen Sozialdemokraten zu Dank verpflichtet. Sie haben die Demokratie in Deutschland aufgebaut und das ist ein wichtiges Verdienst der Menschen, derer wir heute gedenken.“